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Krakeninsel

 

"Es schycket sich nymmerdar, daß junge Herren oder Frouwen sich in Liebe vereynen, so sie nicht eynander versprochen seyen. Junges Burschenvolk werde daher mith wohl zwey Dutzende Stockhieben auf den Hinthersten gemaßregelth, so sie sich unzuchthaft eyner jungen Frouwe nairen."

(Aus der Stadtverordnung der Stadt Havena des Jahres 756 vor Hal)

Im Jahre 291 vor Hal brach in Havena die öffentliche Ordnung nach dem großen Beben vollkommen zusammen, nicht aber auf der Krakeninsel, auf der heute wohl die ältesten und traditionsreichsten Familien der Stadt leben. Maßregelungen wie aus der Stadtverordnung von 756 vor Hal findet man auf der im Nordwesten gelegenen Insel zuhauf, und ihre Bewohner richten sich größtenteils noch heute danach, denn nichts ist ihnen wichtiger als alte Traditionen und Gebräuche. Sie befolgen Gebote und Gesetze, die manchem Aventurier die Lachtränen in die Augen treiben würde. Gar so streng wie in Neu-Lowangen geht es bei den alteingesessenen "Krakeninsulanern" zwar nicht zu, aber ein Kusliker Händlerssohn, der hier um eine Braut freit, muß schon eine gehörige Portion Nervenstärke (und möglicherweise Schauspielkunst) aufbringen, um alle Etappen des steifen Zeremoniells schadlos zu durchlaufen.

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Im übrigen sind Leute der Krakeninsel der Meinung, daß damals, vor der großen Flut, alles ganz anders und viel besser war.

Auf der Insel befindet man sich unter "echten" Havenern. Viele von ihnen mögen keine Fremden, und so meiden die Seefahrer dieses Stadtviertel mit seinen stillen, biederen Schänken. Auch mit der Liebe hat man es schwer: "Zwar gibt es dort ebenso schöne Mädchen und Buben wie anderswo, aber jeder Schatz, auf den dein Auge fällt, ist ständig von einer streng blickenden Garde wachsamer Geschwister umgeben". Die Krakeninsel wird zumeist von Flußfischern und deren Familien bewohnt. Sie sind einfache Leute, die ihre Arbeit tun, ihre Häuser, Höfe und Gassen sauber halten und alle Störungen des Alltagslebens wenig schätzen.

Die Straßen sind tagsüber so gut wie leer, und in den wenigen Tavernen treffen sich am Abend die Einheimischen, um von ihren Fängen zu berichten. Die Pensionen in diesem Teil der Stadt gehen sehr schlecht und werden nur von Stammgästen besucht. So verwundert es überhaupt nicht, daß ihre Besitzer ihr Haus erst am Abend öffnen, denn auch sie widmen sich dem Beruf eines Fischers.

Die meisten Häuser sind sauber gekälkt, das Fachwerk ist mit dunklem Harz gestrichen und vielfach weisen Schnitzereien in den Balken über den Türen aus, wer das Haus bewohnt, und wann es gebaut wurde.

Interessant anzuschauen ist die Kleidung der Bewohner der Krakeninsel. Viele von ihnen tragen dunkelblaue, halblange Hosen oder Röcke, dazu im Sommer weiße Hemden und im Winter warme Wolljacken darüber. Bei Festlichkeiten werden schwarze Schnallenschuhe und graue Kniestrümpfe angezogen und die meisten Männer sind im Besitz eines dunklen Schifferhuts mit tief herabhängender Nackenkrempe. "Auf der Insel, da qualmen sie, als ob sie einen Siebengehörnten ausräuchern wollten..." In der Tat gehört die kurze, dickstielige Pfeife fast zum Gesicht der meisten Fischer und Fischerinnen. Sie schmauchen ein kratziges, billiges Kraut, dessen Rauch den Geruch vieler Häuser prägt, oftmals begnügen sie sich aber auch damit, die kalte Pfeife zwischen die Zähne zu klemmen.

Ein Wort noch zu der Sprache auf der Krakeninsel. Hier hält sich hartnäckig ein Dialekt, der entfernt an das Bosparanische erinnert. Einen schnell redenden Bewohner dieses Viertels kann man mitunter überhaupt nicht verstehen.