Feldmark
"Ich besuchte auch einen Stadtteil im Süden, der meines Wissens nach Feldmark genannt wird. Meilenweit weht der Wind einem einen Geruch in die Nase, der immer unangenehmer wird, je mehr man sich Feldmark nähert. Die Färbereien und Lohgerbereien verpesten derart die Luft, daß man nichts Gutes erwarten kann. Doch die Vorurteile, die der Gestank bei mir auslöste, erfüllten sich Praiosseidank nicht. Das langgezogene Viertel beherbergt mehrere Handwerker, von kleinen Kerzenziehern un Töpfern bis hin zu den schon erwähnten Gerbereien und ähnelt in gewisser Weise den Manufakturen-Vierteln anderer großer Städte. An anderen Stellen erinnert die Feldmark jedoch eher an ein Bauerndorf. Rinder- und Schafherden werden durch die Straßen getrieben; aus Ställen und Höfen ist das Gackern von Hühnern und das Grunzen von Schweinen zu hören. Hohe, schwankende Heuwagen mischen sich unter die Lastkarren, die sich in stetem Strom in Richtung Innenstadt schieben. Zur Feldmark gehört auch eines der berühmtesten Havener Bauwerke: die Prinzessin-Emer-Brücke. Diese Brücke ist ein Meisterwerk, wie ich selten zuvor eines sah. An die 200 Schritt lang ,führt sie so hoch über den Groj3en Fluß, daß mir schwindlig wurde, als ich nach unten sah."
(Xala Torbenja, Händlerin aus Grangor, in einem Brief an ihre Familie im Jahre 12 Hal)
Ist das übrige Stadtgebiet Havenas fast bis zum letzten Flecken bebaut, so ist in der Feldmark noch reichlich Platz vorhanden. Als seinerzeit die neue Mauer in großzügigem Bogen um die Stadt geführt wurde, schloß man auch ein im Osten gelegenes Bauerndorf mitsamt eines Teils seiner Feldflur in das Stadtgebiet mit ein. Hier sollte Bauland für künftige Erweiterungen der Stadt gewonnen werden. Doch Havena wuchs nicht in dem Maße, vom dem die Stadtherren geträumt hatten. So kommt es, daß auch in unseren Tagen noch weite Flächen der Feldmark zum Ackerbau und als Viehwiesen genutzt werden. Die Windmühlen mahlen weiterhin das Korn, wie sie es schon seit Jahrhunderten taten.
Der Großteil der Bauern, die die Stadt versorgen, lebt allerdings in etlichen Dörfern südlich von Havena. Ihre Ochsenkarren rumpeln tagaus tagein durch das Südtor, um Korn und Früchte durch die Feldmark in die anderen Stadtteile zu transportieren. Nebenher geht der Landmann in seinen klobigen Holzschuhen und achtet scharf darauf, daß ihm niemand etwas von seiner Fuhre stiehlt.
Die wenigen Schenken und Tavernen in diesem Viertel sind (abgesehen von ein paar Ausnahmen, in denen die Arbeiter und Handwerker verkehren) ganz auf bäuerliche Gäste eingestellt. Rotgesichtige Landleute beherrschen das Bild; Schafzucht, Ernteaussichten und das Wetter sind die Themen der meisten Gespräche. Kein Wunder, daß sich selten ein Reisender oder Seefahrer in eine Feldmarker Kneipe verirrt; dabei ist das Essen hier gut und sättigend, und die Preise liegen deutlich unter denen in der Innenstadt.